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Gewalt in der Pflege hat viele Gesichter

Von: Lea Hanke

Gewalt in der Pflege ist ein ernstes und komplexes Thema, das viele Formen annehmen kann. Sie beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität und Gesundheit der Betroffenen, sondern schädigt langfristig auch Beziehungen und das soziale Umfeld. Wir stellen Formen und präventive Maßnahmen vor, um Gewalt in der Pflege zu reduzieren.

Auf dem Foto ist eine ältere Frau zu sehen, die verzweifelt aussieht. Sich die Hände vors Gesicht hält. Daneben ist eine Pflegerin, die aussieht, als würde sie ihr gut zusprechen.
Gewalt in der Pflege kann alle Beteiligten betreffen: Pflegebedürftige, professionell Pflegende, Angehörige und andere Personen im Umfeld. © Freepik

Gewalt beginnt nicht erst mit körperlichen Übergriffen, sondern äußert sich auch in Worten, Gesten oder Vernachlässigung. Oft bleibt sie unbemerkt, da sie im Verborgenen stattfindet und nicht immer böswillig ist. Vielmehr kann sie auch unbewusst geschehen, beeinflusst von individuellen Wahrnehmungen und gesellschaftlichen Normen. Gewalt in der Pflege kann alle Beteiligten betreffen: Pflegebedürftige, professionell Pflegende, Angehörige und andere Personen im Umfeld. Diese Gewalt kann direkt oder durch strukturelle und prozessuale Bedingungen entstehen.

Ursachen von Gewalt

Die Ursachen von Gewalt sind vielfältig. Oft ist es die Summe mehrerer Faktoren, die direkt oder indirekt wirken. Bei Pflegebedürftigen oder Pflegenden können gesundheitliche, psychische oder finanzielle Probleme Auslöser sein. Aber auch die Sozialisation sowie mangelndes Wissen und Kompetenzen können gewalttätiges Verhalten begünstigen. So fehlt das Bewusstsein für die Entstehung von Gewalt oder generell der Umgang mit Gewalt. Aber auch das Zusammenleben in Einrichtungen kann Gewalt hervorrufen, sei es durch Lärm, Enge, Verletzung der Privatsphäre et cetera. 

Gewalt kann auch indirekt verursacht werden, etwa durch Strukturen und Prozesse, die zum Beispiel durch Gesetze oder Institutionen vorgegeben sind. Darüber hinaus beeinflussen strukturelle oder prozessuale Faktoren auch die Qualität und Sicherheit der Pflege und können zu Gewalt führen. Das gilt etwa, wenn die Pflege aufgrund einer unzureichenden Personalausstattung mangelhaft ist. Zeitdruck, zu viel Verantwortung und fehlende Unterstützung tragen zur Überforderung bei. Dies kann Gleichgültigkeit, Unachtsamkeit sowie Aggressivität bei der Pflege fördern.

Zu wenig Pflegekräfte

Durch den derzeitigen Personalmangel kommt es auch in der Pflege vermehrt zu gewaltvollen Situationen. Der demografische Wandel verschärft die Situation zusätzlich. Es gibt zu wenig Pflegekräfte im Verhältnis zu den Pflegebedürftigen. Waren im Jahr 2001 noch 2,04 Millionen Menschen pflegebedürftig, verdoppelte sich die Anzahl 2019 bereits auf 4,13 Millionen. Gerade in der Altenpflege klafft eine große Lücke an unbesetzten Stellen. Auf 12.300 offene Stellen für Fachkräfte kommen derzeit rund 3.400 arbeitslose Pflegefachkräfte.

Präventiv handeln

Gewaltprävention erfordert eine breite gesellschaftliche Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung. Professionelle Pflegeeinrichtungen benötigen systematische Maßnahmen. Für pflegende Angehörige und Fachkräfte sind Tipps hilfreich, wie sie Aggressionen erkennen und die Kontrolle behalten können. Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) bietet hierzu Tipps für Pflegende sowie kostenlose Arbeits- und Schulungsmaterialien für Pflegeorganisationen an. Krisentelefone bieten Unterstützung in Akutsituationen. 

Pflegende entlasten

Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Gewaltprävention ist die Entlastung der Pflegenden. Der VdK fordert daher bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und eine angemessene Personalausstattung für Pflegekräfte, um eine menschenwürdige Pflege zu gewährleisten. „Ausreichende Pflegeeinrichtungen, barrierefreie Wohnungen und eine flächendeckende Versorgung – das sind zentrale Punkte, die für die Qualität der Pflege wichtig sind. Außerdem fordern wir regelmäßige Qualitätsprüfungen sowie transparente Informationen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen“, so Ralf Bergmann, Landesvorsitzender des VdK Berlin-Brandenburg. Sinnvoll sei zudem ein staatliches Durchgriffsrecht bei nachgewiesenen Pflegemängeln sowie ein einheitliches Vorgehen bei Verdachtsfällen von Vernachlässigung von auf pflege- und hilfebedürftigen Menschen.

Nächstenpflege stärken

Da mehr als 80 Prozent der Pflege zuhause stattfindet, ist es auch wichtig, die Nächstenpflege zu stärken. Der VdK fordert von Bund und Ländern deutlich mehr finanzielle und organisatorische Unterstützung für die häusliche Pflege. Dazu gehört der Ausbau von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeplätzen sowie von unabhängigen Pflegeberatungsstellen. Zudem müssen geriatrische Einrichtungen in den Kliniken verstärkt und die Prävention gefördert werden, damit Pflegebedürftigkeit nicht automatisch ins Pflegeheim führt. „Pflegende Angehörige brauchen flexible Arbeitszeitmodelle, Pflegezeitgesetze und finanzielle Entlastungen. Im Mittelpunkt muss die Anerkennung und Wertschätzung der Leistung pflegender Familienangehöriger stehen. Der VdK setzt sich dafür ein, dass pflegende Angehörige ein Gehalt bekommen, um sie zu unterstützen und ihre Arbeit wertzuschätzen“, sagt Bergmann.

Grundlegende Reform

Um eine zukunftsfähige Pflegeinfrastruktur zu schaffen, fordert der VdK eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Diese müsse auch das Problem der Balance zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung angehen und die private und soziale Pflegeversicherung zusammenführen. Der VdK fordert daher den Umbau der Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung für alle pflegebedingten Kosten. Nur so kann der steigende Anteil der Pflegekosten aufgefangen werden. Die Pflegeversicherung muss wieder das Ziel erreichen, die Armut von Pflegebedürftigen oder auch die Unterversorgung zu Hause lebender Pflegebedürftiger zu verhindern. Nur so kann eine adäquate Pflege sichergestellt und Gewalt in der Pflege reduziert werden.

Weitere Hilfs- und Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen

Netzwerke wie das „Berliner Netzwerk für Gewaltfreie Pflege“, „Pflege in Not“ in Berlin und Brandenburg und die Pflegestützpunkte sind erste Anlaufstellen, wenn Sie Unterstützung und Beratung bei Konflikten und Gewalt in der Pflege benötigen. Beim VdK-Pflegestützpunkt können sich Pflegebedürftige, Ratsuchende und Angehörige sowie interessierte Einrichtungen und Organisationen beraten lassen. 

Berliner Netzwerk für Gewaltfreie Pflege:
Website: Externer Link:www.berlin.de/polizei/aufgaben/praevention/netzwerk-gewaltfreie-pflege

Pflege in Not Berlin:
Telefon: 030 69598989
Website: Externer Link:www.pflege-in-not.de

Pflege in Not Brandenburg:
Telefon: 0800 2655566
Website: Externer Link:www.pflege-in-not-brandenburg.de

VdK-Pflegestützpunkt:
Telefon: 030 7550703
Website: Externer Link:www.bb.vdk.de/beratung-und-angebote/pflege-und-demenz