Europa und seine Institutionen
Europa ist groß und die Politik der EU scheint noch weiter weg als die der Bundesrepublik. Da verwundert es nicht, dass bei der letzten Europawahl die Wahlbeteiligung bei gerade einmal knapp über 50 Prozent lag. Damit das nicht so bleibt, erklären wir in unserer Artikelserie Wissenswertes rund um die Europapolitik und -wahl.
Es ist der 7. März und Ursula von der Leyen strahlt. Sie strahlt über das ganze Gesicht und unsere Bildschirme. Denn, so weiß die Tagesschau zu berichten, Ursula von der Leyen ist von der Europäischen Volkspartei soeben als Spitzenkandidatin für die Europawahl gewählt worden. Und sie hofft so auf ein zweites fünfjähriges Mandat als Kommissionspräsidentin, so die Tagesschau. Aber wie wird man überhaupt zur Spitzenkandidatin einer Europapartei? Dafür schauen wir uns erst einmal an, wie genau die Politik in Europa funktioniert.
Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die EU als Bündnis der verschiedenen Mitgliedsstaaten. Wie andere demokratische Staaten hat auch dieses Bündnis verschiedene Organe. Neben dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gibt es weitere Organe der EU: Das sind das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission und der Europäische Rat.
Aktuell sieben Fraktionen
Das Europäische Parlament besteht aus den von Ihnen beziehungsweise allen anderen EU-Bürger*innen gewählten Abgeordneten, die Sie am 9. Juni mit der Europawahl wählen. Auf Ihrem Stimmzettel werden Sie 41 politische Parteien beziehungsweise deren Kandidat*innen sowie sonstige zur Europawahl zugelassene politische Vereinigungen finden. Neben den Kandidaten der großen Parteien, wie CDUkurz fürChristlich Demokratische Union, SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands und so weiter, treten auch die Kandidat*innen vieler kleiner Parteien an. Auch für diese ist die Europawahl in Ermangelung einer 5-Prozent-Hürde spannend.
Mit Ihrer einen Stimme wählen Sie dann die Kandidat*innen der Partei, die Ihnen am meisten zusagt. Auf europäischer Ebene sind die jeweiligen nationalen Parteien, die ähnliche Programme verfolgen, zu sogenannten Europäischen politischen Parteien (kurz: Europaparteien) zusammengeschlossen. Der oben genannten Europäischen Volkspartei, die Ursula von der Leyen als erneute Spitzenkandidatin kürte, gehören zum Beispiel die deutsche CDUkurz fürChristlich Demokratische Union und CSUkurz fürChristlich-Soziale Union oder auch die österreichische ÖVP an. Der Sozialdemokratischen Partei Europas gehörte neben der deutschen SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands und der österreichischen SPÖ auch, bis zum Brexit, die britische Labour (Party) an. Innerhalb des Parlaments bilden die Europaparteien dann eigene Fraktionen oder schließen sich mit anderen Europaparteien oder einzelnen Abgeordneten zu derzeit sieben Fraktionen zusammen.
Der Ministerrat
Neben dem Europäischen Parlament gibt es den Rat der Europäischen Union, besser bekannt als Ministerrat. In ihm sind alle Minister*innen der einzelnen Mitgliedsstaaten vertreten. Europäisches Parlament und der Ministerrat bilden zusammen die gesetzgebenden Körperschaften der EU und verabschieden zum Beispiel Verordnungen und Richtlinien.
Eine weitere Aufgabe des Europäischen Parlaments ist die Wahl der Kommissionspräsidentin beziehungsweise des Kommissionspräsidenten. Sollten die von Ihnen per Wahl bestimmten Mehrheitsverhältnisse nach der Europawahl es hergeben, so hat Ursula von der Leyen erneut die Chance Kommissionspräsidentin zu werden. Doch bevor es zum Wahlakt kommt, muss sie vorgeschlagen werden. Und hier kommt nun eine weitere europäische Institution ins Spiel.
Leitlinien der EU
Der Europäische Rat schlägt nach einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung dem Europäischen Parlament die Kommissionspräsidentin beziehungsweise den Kommissionspräsidenten zur Wahl vor. Der Europäische Rat ist das Vertretungsgremium der Staats- und Regierungschefs aller 27 Mitgliedsstaaten. Sie sind nicht für die Gesetzgebung der EU zuständig, sondern legen die übergeordneten politischen Ziele der EU fest und stellen zum Beispiel nicht selten die Weichen für eine europäische Sicherheits- und Außenpolitik.
Europäische Kommission
Die eigentliche regierende Arbeit nimmt dann aber die Europäische Kommission wahr, deren Präsidentschaft entsprechend der Legislaturperiode des EU-Parlaments alle fünf Jahre erneut über die von Ihnen gewählten Vertreter des Europäische Parlaments bestimmt wird. Alle 27 Kommissare werden durch die nationalen Regierungen in die EU-Kommission entsandt, sind aber dennoch von den nationalen Regierungen unabhängig und nur den Interessen Europas verpflichtet. Sie haben bis auf wenige Ausnahmen das alleinige Initiativrecht für alle Gesetzesvorschläge an das EU-Parlament und den Ministerrat. Allerdings werden sie im Gegenzug durch das EU-Parlament kontrolliert, das Untersuchungsausschüsse einsetzen und Klagen vor dem EuGH erheben kann.
Ob von der Leyens Partei bei der kommenden Europawahl genügend Stimmen auf sich vereinen kann, sehen wir am 9. Juni.